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  • AutorenbildKelisi

Kung Fu - auch Heilkunst...

Aktualisiert: 14. Mai 2022

(Artikelauszug)


„Niemand rettet uns, außer wir uns selbst. Niemand kann und niemand darf das.Wir müssen selbst den Weg gehen.“ (Buddha)

Stell dir vor, dass du von Kindheit an chronisch krank bist. Die Schmerzen, die dich als fühlendes Wesen von Anfang an begleiten – jeden einzelnen Tag und jede einzelne Nacht – sind dabei, alles was von dir noch übrig ist, zu zersetzen – deine Kraft, deine Hoffnung, dein Glaube, dein Wille, deinen Antrieb, deine verbliebenen Gefühle, kurz, alles was gut und richtig war in deinem Leben. Du hast bereits, bei zwei 18monatigen Chemo-Therapien, jeweils über die Hälfte deines Körpergewichts eingebüßt. Bis dahin warst du ein 120 Kilo schwerer Schwergewichtsathlet – danach ein 49 Kilo schwerer Pflegefall, ...zwei Mal.



Einen akuten Schub deiner Erkrankung, hast du nur mit Hilfe eines Notarztes knapp überlebt. Jetzt sitzt du seit einem Jahr im Rollstuhl, du hast keinen einzigen Muskel mehr, und die, die du noch hast, bereiten dir höllische Schmerzen. Du kannst dich nur noch mit Hilfe von stärksten Opiaten, zahlreichen Antidepressiva und Beruhigungsmitteln, aufrecht sitzend in diesem Rollstuhl halten. Die Systemmedizin weiß nicht mehr weiter und kann nur noch bei der Beantragung der Arbeitsunfähigkeitsrente helfen. Was müsste in dir passieren, dass du in dieser Situation – in deinem Rollstuhl kauernd, tropfnass vor Schweiß und zitternd vor Schmerz – daran glauben und den Entschluss fassen könntest, der Schüler eines Shaolin Meisters zu werden? Oder noch besser: Was müsste in dir passieren, damit du sogar den Entschluss fassen könntest, selbst ein Lehrer zu werden – zum Beispiel für Shaolin Qi Gong oder Shaolin Taijiquan, oder... – vielleicht sogar für beides?


Im Ernst...


Was wärst du – denk daran, du sitzt im Rollstuhl – bereit dafür zu tun und was würde diese Bereitschaft in dir entstehen lassen? Wäre deine Imaginationsfähigkeit (gesteuerte, zielgerichtete Phantasie) stark genug, um einen Wunsch in dir entstehen zu lassen, der mächtig genug ist, um daraus einen zielführenden, unbedingten Willen zu formen der in einem ENTSCHLUSS mündet? Ein Wille, der dich aufstehen lässt – trotz der Schmerzen in deinem Körper, trotz des Nebels in deinem Kopf und trotz der Leere in deiner Seele? DU hast jetzt die Wahl, und wenn du auf Nummer Sicher gehen willst, dann versuche es zunächst mit Mitgefühl und Achtsamkeit. Erst – ganz einfach – anderen gegenüber, die vielleicht sehr darunter leiden, dass es dir nicht gut geht. Dann – schon wesentlich schwieriger – dir selbst gegenüber, weil du ganz dringend verstehen musst, dass du so sein darfst wie du bist, und dass du – genauso wie du bist – GUT bist.


Konsequenzen für das zentrale Qi.[1]

(Stark verkürzte Ausführung aus Platzgründen – mehr dazu in Zukunft auf diesem BLOG…)


Das mit dem Qi ist so eine Sache. Zu wissen was Qi ist, ist das Eine, zielführend damit umzugehen, ist dagegen etwas völlig Andres. Da eine umfassende Darstellung den Rahmen noch weiter dehnen würde als ich es ohnehin tun werde, möchte ich mich nachfolgend auf das zentrale Qi, das Atem-Qi beschränken. Und obwohl ich auch das praktisch nur streifen kann, wirst du verstehen, dass die menschliche Existenz – Körper, Geist und Seele – äußerst komplexen, rückbezüglichen Regelkreisen unterworfen ist, die man besser nur dann stört, wenn man sehr genau weiß, was man tut. Versuchen wir nun also, zumindest das zentrale, das Atem-Qi in seiner komplexen Integration und in seinen multidimensionalen Wechselwirkungen etwas besser zu verstehen.[2] Die zentrale Energiequelle unserer Existenz ist der Sauerstoff, den wir mit der Atmung aufnehmen. Bekommen wir davon nicht genug – nur für drei, maximal fünf Minuten – werden wir in Kürze mit absoluter Sicherheit wissen, ob seine Heiligkeit der Dalai Lama richtig liegt, mit dem was er sagt. Deshalb legen die Shaolin Mönche höchsten Wert auf die Perfektionierung der Atmungsqualität sowie auf die Steigerung des Atemvolumens. Erreicht wird dies, mittels einer besonderen – einer sehr intensiven, körperlich fordernden – Methode, dem Herzstück des Shaolin Qi Gong, dem Yi-jin-jing-Qi Gong.



Das Yi-jin-jing-Qi Gong wirkt dabei aber nicht nur auf die Atmung als solches, sondern vielmehr auf die vielschichtigen, äußerst komplexen Prozesse im inneren des Körpers, die mit dem Prozess des Atmens korrespondieren. Warum Yi-jin-jing-Qi Gong von so zentraler Bedeutung ist, wird schnell klar, wenn man sich die Zusammenhänge verdeutlicht. Akuter, vor allem aber kumulativer Stress, führen zu bestimmten Reaktionen des Körpers. Diese Reaktionen kann man (außer man ist ein Shaolin Meister) nicht bewusst steuern, da sie dem zentralen Nervensystem (ZNS) unterstehen. Diese Reaktionen stellen zwei Bedingungen sicher: 1) die Kampfbereitschaft und 2) die Fluchtbereitschaft. In beiden Fällen spielen die Muskeln eine zentrale Rolle, genauer – die Faszien. Die Mönche trainieren die Faszien, damit sie in der Lage sind, mehr Atem-Qi zu verinnerlichen. Wissenschaftlich ausgedrückt, optimieren sie Atem-Frequenz, Atem-Volumen, Atem-Rhythmus sowie den Atem-Typ. Die traditionelle chinesische Medizin (TCM)[3] rechnet die Faszien dem Funktionskreis der Leber zu. Empfinden wird belastenden Stress, kommt das Qi der Leber zum Erliegen und die Faszien verspannen sich (bisweilen extrem schmerzhaft >> Rollstuhl!).



Unmöglich? NORMAL schon, aber in Shaolin ist nichts NORMAL GAR NICHTS!


Lokal wäre das sicher nicht angenehm und auf Dauer wohl sogar behindernd, da aber alle Faszien im Körper miteinander komplex verwoben sind, bedeutet das, dass sich alle Bänder und alle Sehnen, alle Gelenkkapseln und alle Muskelfaserhüllen, alle Muskel- und Organhäute, alle Umhüllungen aller Nervenbahnen und alle Blutgefäße gleichermaßen verspannen.[4] In deinem Körper steigt der Blutdruck, die Organe hören auf optimal zu arbeiten, dein Stoffwechsel beginnt zu entgleisen, dein Blut fließt aus der Peripherie (also deinen Händen und Füßen, sowie aus deinem Kopf und der Haut) ab, und konzentriert sich im Zentrum. In der Folge kommt es zu einer Mangelversorgung des Gehirns (verminderte Ausschüttung verschiedener Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin, Noradrenalin etc.), was wiederum zu Konzentrationsproblemen (ADH/ADHS), zu Gedächtnisschwäche (Alzheimer), zu mangelnder Lebensfreude (Depression) und zu fehlender Begeisterungsfähigkeit (Antriebsverlust) führt. Vereinfacht ausgedrückt: Die Menge der „Glückshormone“ im Gehirn nimmt dramatisch ab, während die Menge der „Stresshormone“ gleichzeitig dramatisch zunimmt. Dieser Prozess läuft so lange, bis deine Neuro-Bio-Chemie so toxisch ist, dass durch sie sogar die funktionelle Neuroanatomie (die „Hardware“, also die physische Hirnstruktur) Schaden nimmt.



Mit anderen Worten: Im Gehirn entstehen immer mehr „Vernarbungen“, das solide Fundament für eine komplexe Stresserkrankung ist damit gelegt. Du musst in diesem Zusammenhang verstehen, was Neuroplastizität bedeutet, welche Gefahren sie birgt und welche Möglichkeiten sie dir eröffnet. Denn so, wie der Geist den Körper verändern kann, kann auch der Körper den Geist verändern... Problematisch in diesem Zusammenhang ist, dass bereits der nur subjektiv erlebte Verlust von Leistungsfähigkeit, häufig zu einem Verlust der erlebten Selbstwirksamkeit und dadurch zu einer kontinuierlichen Abnahme des Selbstwertes führt. Wo noch Selbstbewusstheit war, erodiert diese – ebenso kontinuierlich – zu einem zweifelhaften Selbstbewusstsein, dass nur noch dank dysfunktionaler Glaubenssätze überleben, oder eben, wie in meinem Fall, beinahe nicht mehr überleben, kann.[5] Kann man erst einmal nicht mehr mithalten, empfindet man dauerhaften, sich – und das wird in der Regel mit fatalen Folgen unterschätzt – kumulierenden Stress. Kumulierenden Stress kann man unmöglich auf Dauer kompensieren – egal wie gut und stark man auch sein mag. Erkennt man das, beginnt die Angst in uns zu wachsen – die Angststörung nimmt Form an. Begegnet man dieser Angst nicht angemessen, oder verliert man gar die Kontrolle über sie, führt das wieder zurück zur Depression. Damit schließt sich ein verhängnisvoller, rückbezüglicher Regel-, oder besser, Teufelskreis.



Allerspätestens ab diesem Zeitpunkt, bist du nur noch Passagier, und nicht mehr Pilot in deinem Leben. Ab diesem Zeitpunkt, besteht keine Möglichkeit mehr, das Kommende – eine komplexe Stresserkrankung – aus eigener Kraft abzuwenden. Ab diesem Punkt kannst du nicht mehr sehen, wohin dich dein Weg führt – du funktionierst einfach nur noch, so lange, bis du endgültig nicht mehr funktionierst.[6] Und genau jetzt, an genau diesem Punkt, brauchst du jemanden, der dich achtsam und mitfühlend – nicht mitleidend – an die Hand nimmt, und dir dabei hilft, dein(e) Leid(en) zu erkennen, dein(e) Leid(en) anzunehmen und dein(e) Leid(en) loszulassen.


Wenn du das packen willst, und darüber musst du dir absolut klar sein, bedarf es eines unglaublichen Willens. Du musst ein anderes Leben wollen (weil deines so nicht mehr funktioniert...), und das bedeutet, dass du die Anhaftungen an dein bisheriges Leben auflösen musst (eben, weil es alle Dysfunktionalitäten in dir aufrechterhält...). Du musst lernen anders zu denken, du musst lernen die Dinge anders wahrzunehmen, du musst dich mit anderen Dingen beschäftigen, dich mit anderen Menschen umgeben, du musst bereit sein, dich und deine Glaubenssätze in Frage zu stellen, du musst bereit sein, Dinge zu versuchen, an die du bisher noch nicht einmal zu denken gewagt hast, kurz: Du musst erst unglaublich mutig, dann unglaublich neugierig und dann unglaublich fleißig sein. Und, weißt du, was das Beste daran ist: ALL DAS BIST DU!


Letzter Ausweg „Shaolin“. Zurück zur Quelle ursprünglicher Gesundheit, körperlicher Kraft und innerer Stärke.


Was sich oben noch so leicht gelesen hat, ist in der Realität ein wirklich beinharter Prozess, der wirklich brutal weh tut. Aber warum sollte man sich dann etwas Derartiges antun (wollen)? Es ist eigentlich ganz einfach. Als Fachmann für komplexe Stresserkrankungen war ich gezwungen zu erkennen, dass mir meine eigenen Disziplinen nicht mehr helfen konnten. Die Optionen lagen damit auf dem Tisch. Entweder man findet sich damit ab, oder aber – und dafür mussten der Athlet, der Wissenschaftler und der Buddhist erst einmal zueinander finden – man findet sich nicht damit ab, vergisst alle scheinbaren Gewissheiten und orientiert sich völlig neu. Als Ex-Wettkampfbodybuilder und Ex-Kampf-“sportler“ konnte ich auf umfassendes Wissen hinsichtlich Physiologie, Anatomie, Ernährung, Trainingslehre und Philosophie zurückgreifen, als Neuropsychologe auf Wissen hinsichtlich Genetik, funktioneller Neuroanatomie und Neuro-Bio-Chemie, und als Buddhist auf Wissen hinsichtlich buddhistischer Psychologie und buddhistischer Meditationspraxis. Aber all das konnte ich erst zusammenführen, nachdem ich Hanshi Wolters Arbeiten rund um die Budopädagogik und Budotherapie entdeckt hatte. Erst mit Hilfe seiner Gedanken war es mir möglich, die Erkenntnisse der Neurowissenschaften (Meditationsforschung), die Möglichkeiten der Meditationspraxis und das Potenzial der Shaolin Übungen zu integrieren.



Denn, was macht das Wesen einer komplexen Stresserkrankung denn eigentlich aus? Es ist ein sich selbst erhaltender rückbezüglicher Regelkreis, in dem schlussendlich die Psyche dem Körper, und der Körper der Psyche Schaden zufügt, bis zum völligen Zusammenbruch sowohl der Psyche als auch der Physis. Systemmedizinisch, also mit den Mitteln, die wir unseren völlig überlasteten Ärztinnen noch zugestehen, ist dieser Regelkreis kaum zu durchbrechen. Die noch vorhandenen Möglichkeiten reichen im besten Fall dazu aus, die Symptome leidlich zu kompensieren. Sie reichen aber keinesfalls aus, um einen betroffenen Menschen zu heilen, im Sinne einer vollständigen Wiederherstellung.[7] Dazu bedarf es wesentlich mehr, nämlich – und das macht es so schwierig – einen kompetenten Patienten, und einen Begleiter, der ihn an die Hand nimmt. Wir werden gleich sehen warum. Auf dem Weg hin zu einer komplexen Stresserkrankung, kommt es zunächst zu massiven psychischen Beeinträchtigungen. Diese psychischen Beeinträchtigungen, führen dann zu physischen Prozessen, wie zum Beispiel zu einer massiven und andauernden Stresshormonausschüttung. Diese wiederum hat alsbald eine „toxische“ Hirnchemie zur Folge, die wiederum mit der Zeit anatomische Strukturen im Gehirn verändert.[8] Konkret wird der Hippocampus geschädigt (es sterben Nervenzellen ab), der, insbesondere bei Kindern, eine noch sehr hohe Plastizität aufweist, und darüber hinaus verästeln sich bestimmte Zellen der Amygdala stärker, sodass sich die Amygdala vergrößert, und man nicht mehr „keine Angst haben“ kann, weil die Stressachse entgleist. Dies führt dann letztendlich dazu, dass der rückbezügliche Regelkreis sich selbst erhält, bis zum völligen bio-psycho-sozialen Zusammenbruch.